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Antrag 35/2015
Antrag wegen Zulassung der Berufung der Stadt Prenzlau

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Drucksache 35/2015 (13.6 KB)

Anlage zur Stelleungnahme zur DS 35/2015 (98.3 KB)

Beschlussfolge

Abschließende Beschlussfassung in der Stadtverordnetenversammlung am 05.03.2015 vorgesehen.

Textauszug aus der Drucksache

Beschlussentwurf

Wortlaut:
1. Wegen des Urteils des Verwaltungsgericht Potsdam vom 25.09.2014 - 10 K 4203/13 - beantragt die Stadt Prenzlau keine Zulassung der Berufung.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, den betroffenen Eltern umgehend die nach dem Urteil zuviel gezahlten Essengelder entsprechend den Feststellungen im Urteil zu erstatten.

Begründung:
Das Verwaltungsgericht Potsdam entschied mit Urteil vom 25.09.2014 - 10 K 4203/13 -, dass Eltern nicht mehr als 1,70 EUR/Tag für das Mittagessen ihrer Kinder in Kindertagesstätten bezahlen müssen. Darüber hinausgehende Beträge, auch wenn sie von privaten Versorgern verlangt werden, habe die Stadt als Trägerin der Kindertagesstätten an die Eltern zu erstatten.
Hintergrund ist die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes (BbgKitaG). Die Vorschrift lautet:
“Die Personensorgeberechtigten haben Beiträge zu den Betriebskosten der Einrichtungen (Elternbeiträge) sowie eine Zuschuss zur Versorgung des Kindes mit Mittagessen in Höhe der durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen zu entrichten (Essengeld).“
§ 17 BbgKitaG ist der Sinngehalt zu entnehmen, dass Eltern neben Kosten für das Mittagessen (Essengeld) von weiteren Abgaben für Verpflegungsleistungen verschont bleiben sollen. Die Vorschrift schützt die Eltern und verbietet eine Inanspruchnahme der Eltern mit weitergehenden Kosten für das Verpflegungsangebot. Diese Auffassung wird auch im Kommentar zum BbgKitaG gestützt (Diskowski/Wilms, Kindertagesstätten in Brandenburg, Stand: 2014, § 17 BbgKitaG, Anm. 2.4). Ziel des Landes ist es, für alle Kinder den Zugang zu geregelten Mahlzeiten sicherzustellen und dies nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig zu machen. Für alle Kinder ist daher das gleiche Versorgungsangebot nur gegen Entrichtung der ersparten Eigenaufwendungen (der entsprechenden „häuslichen Ersparnis“) vorzuhalten.
Das Verwaltungsgericht begründete in der am 06.02.2015 herausgegebenen Urteilsbegründung überzeugend, dass die Essenversorgung auch dann der Stadt als Aufgabe obliegt, wenn sie Versorgungsleistungen im Wege der Ausschreibung an Dritte vergibt. Die Stadt bleibt somit trotz Ausschreibung als verantwortliche Trägerin von Kindertagesstätten weiter aus den Regelungen des BbgKitaG verpflichtet und kann sich des - mit § 17 Abs. 1 Satz BbgKitaG vom Gesetzgeber beabsichtigten - Schutzes der Eltern vor zu hohen Essenskosten nicht durch Vertragsschluss mit einem Dritten - hier: der Firma Sodexo SCS GmbH - entledigen. Da vom Unternehmen berechneten Essengelder schlicht nicht der bloßen „häuslichen Ersparnis“ der Eltern entsprechen, ergibt sich der Verstoß gegen das BbgKitaG und der Rückerstattungsanspruch der Eltern.
Das Urteil stützt sich auf die Rechtsfigur der sog. „öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA).“ Danach kann derjenige, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt zu sein, Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und jedenfalls dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Die Vollfinanzierung der von der Firma Sodexo berechneten Essengelder ist nach obigen Feststellungen objektiv Geschäft der nach § 17 BbgKitaG verpflichteten Stadt, das die Eltern für diese zunächst übernommen haben. Die Einhaltung ihrer eigenen Rechtspflichten liegt objektiv im Interesse der Stadt und entspricht ihrem zu vermutenden Willen. Unter diesen Voraussetzungen können die Eltern als „Geschäftsführer“ für den Pflichtenkreis der Stadt Ersatz ihrer Aufwendungen - der zuviel gezahlten Essengelder - verlangen.
Das Urteil geht zudem mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 12.09.2013 - 5 C 35/12 -, BVerwGE 148, 13) konform, nach der im Kinder- und Jugendhilferecht ein Aufwendungsersatzanspruch (verallgemeinerungsfähig entsprechend § 36 a SGB VIII) gegenüber Trägern der öffentlichen Jugendhilfe besteht, falls Sach- oder Dienstleistungen der Jugendhilfe nicht erfüllt werden und deshalb - hier: von den Eltern - selbst beschafft werden müssen.
Ein Berufungszulassungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam hätte geringe Erfolgsaussichten: Die Berufungszulassungsgründe sind nach § 124 Abs. 2 VwGO limitiert. Keiner der fünf dort genannten Zulassungsgründe liegt vor: Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wie ausgeführt nicht unrichtig. Wegen der dargestellten eindeutigen Rechtslage liegen auch weder tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor. Dass auch andere Kommunen wie die Stadt Prenzlau handeln, führt für sich genommen nicht zur grundsätzlichen Bedeutung. Nicht klärungsbedürftig ist nämlich eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich unter Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden und unter Einbeziehung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (Roth, in: BeckOK VwGO 2014, § 124 Rn. 55). Der Aufwendungsersatzanspruch der Eltern ist vorliegend dem Gesetz i.V.m. der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen. Ferner liegt in dem Urteil des Verwaltungsgerichts auch keine Abweichung von vorhergehender ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung. Schließlich ist auch kein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts erkennbar.
Aufgrund der klaren Rechtslage sind die mit einem Berufungszulassungs- und mit ggf. einem Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verbundenen Kosten einzusparen.
Ein Berufungszulassungsantrag würde zudem rein formell - und ohne Rücksicht auf die geringen Erfolgsaussichten - die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam auf längere Zeit hemmen. Das heißt, das Urteil würde erst nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts seine Wirkung entfalten. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Berufungszulassungsantrag ist jedoch erst nach einem bis eineinhalb Jahren zu rechnen. Ein sich ggf. anschließendes Berufungsverfahren würde voraussichtlich mindestens ein weiteres Jahr andauern. Die Antragstellung durch die Stadt würde also zulasten der Eltern die Rechtskraft möglicherweise bis in das Jahr 2017 hinausschieben. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Eltern noch einen so langen Zeitraum auf die ihnen zustehende Erstattung warten zu lassen.

Begründung

Stellungnahme des Bürgermeisters zum Antrag DS-Nr.: 35/2015

Der Antrag ist abzulehnen.

Begründung:
Die Entscheidung, ob die Zulassung der Berufung beantragt wird, fällt nicht in die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung. Zuständig ist gemäß § 54 Abs.1 Nr. 5 BbgKVerf i.V.m § 6 Abs. 3 der Hauptsatzung der Bürgermeister. Dieser hat die Geschäfte der laufenden Verwaltung zu führen. Er entscheidet insbesondere über die Führung von Rechtsstreitigkeiten ( vgl. § 6 Abs. 3 HS). Im Bereich der Geschäfte der laufenden Verwaltung besteht auch kein Rückholrecht der Stadtverordnetenversammlung gemäß § 28 Abs.3 BbgKVerf.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat ein Berufungszulassungsantrag gegen das Urteil des VG Potsdam nach Einschätzung des von der Stadt Prenzlau beauftragten Rechtsanwalts durchaus gute Erfolgsaussichten.
Das gilt insbesondere für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. Denn die tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Übertragung der Essensversorgung auf eine GmbH in Form einer Konzession sei gesetzeswidrig, weist über den konkreten Einzelfall hinaus. Eine Vielzahl brandenburgischer Kommunen verfährt ebenso wie die Stadt Prenzlau. Daher unterstützt auch der Städte-und Gemeindebund Brandenburg als Interessenvertretung der Kommunen die Stadt bei der Durchführung des Berufungsverfahrens.
Daneben bestehen auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das gilt zum einen für die rechtliche Beurteilung des Konzessionsmodells durch das Verwaltungsgericht. Zum anderen ist auch die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage angreifbar. Eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung des Bürgers für den Staat wird in der Literatur einhellig abgelehnt und von der Rechtsprechung nahezu ausschließlich in Fällen der Nothilfe bejaht. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass das Gericht den Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts überspannt haben könnte. Die Rechtslage in Brandenburg ist insoweit noch ungeklärt.
Es entspricht dem Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung, einen Antrag auf Zulassung der Berufung (Kosten ca. 4-5 T €) zu stellen, um Erstattungsforderungen in erheblicher Höhe (zur Zeit ca. 170.000 €) abzuwenden. Daher werde ich einen Beschluss, der den Verzicht auf die Zulassung der Berufung beinhaltet, gemäß § 55 BbgKVerf nach meiner Überzeugung beanstanden müssen. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Durch die Beanstandung besteht keine Pflicht, diesen Beschluss auszuführen.
Die Stadtverordnetenversammlung wird deshalb um Ablehnung des Antrags gebeten.

verantwortliches Amt / Antragsteller

Stadtverordneter Hildebrandt

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